Zum Zustand der Ozonschicht

Alle vier Jahre untersuchen hunderte Wissenschaftler unter der ?gide der UNO den Zustand der Ozonschicht. Gestern haben sie ihren jüngsten Bericht publiziert: Das Montrealer Protokoll über Ozon-abbauende Stoffe wirkt – das Ozonloch k?nnte sich in der zweiten H?lfte dieses Jahrhunderts schliessen. Doch es drohen neue Gefahren durch bestimmte FCKW-Ersatzstoffe.

Vergr?sserte Ansicht: Ozonschicht
(Bild: iStock)

Das Montrealer Protokoll über Stoffe, welche die Ozonschicht abbauen, ist ein Meilenstein des internationalen Umweltrechts. Fast 200 Staaten haben sich diesem v?lkerrechtlich verbindlichen Abkommen angeschlossen. Seit 1988 wollen sie wissen, ob ihre Schutzmassnahmen greifen und wo sich neue Probleme abzeichnen. Deshalb überprüfen Wissenschaftler alle vier Jahre zu H?nden der Vertragspartner, ob das Abkommen eingehalten wird. Zudem untersuchen sie den Zustand der Ozonschicht, prognostizieren deren weitere Entwicklung und diskutieren m?gliche Massnahmen. Ihren aktuellen Bericht – genannt ?Scientific Assessment of Ozone Depletion: 2014? – haben die Forscher gestern an einer Pressekonferenz der World Meteorological Organization (WMO) und des United Nations Environment Programme (UNEP) in New York vorgestellt [1].

Ozonschicht kann sich Mitte Jahrhundert erholen

Um die fortschreitende Zerst?rung der lebenswichtigen Ozonschicht in der Stratosph?re zu stoppen, galt das Hauptaugenmerk ursprünglich den sogenannten Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen (FCKW), sp?ter auch bromhaltigen Substanzen und FCKW-Ersatzstoffen. In einem früheren Beitrag berichtete ich über den Erfolgskurs des Montrealer Protokolls, das die Ozonschicht effektiv schützt und – sozusagen ?nebenbei? – die Klimagasemissionen um das fünf- bis sechsfache Reduktionsziel des Kyoto Protokolls gesenkt hat.

Also ein Erfolg auf ganzer Linie? Weitgehend ja, aber mit einigen wesentlichen Einschr?nkungen. Der neue Bericht h?lt fest, dass die Massnahmen des Montrealer Protokolls die meisten ozonzerst?renden Substanzen wie erwartet langsam verringern, so dass die Ozon-Konzentration allm?hlich wieder den natürlichen Stand der Atmosph?re vor 1980 erreichen kann. Simulationen mit Chemie-Klima-Modellen prognostizieren, dass sich die Ozonschicht dank dem Protokoll weltweit erholen wird, vorausgesetzt, dass die Vorgaben des Protokolls auch in Zukunft strikt eingehalten werden. Diese Erholung wird für Mitte des Jahrhunderts vorhergesagt, mit Ausnahme des antarktischen Ozonlochs, das noch ein bis zwei Jahrzehnte l?nger brauchen wird, bevor es sich wieder schliesst.

Vergr?sserte Ansicht: Ozonloch
Ozon-Konzentrationen über der Antarktis (5. September 2014): In den violetten und blauen Regionen hat es am wenigsten Ozon (Ozonloch), w?hrend die gelben und roten Bereiche die h?chsten Konzentrationen aufweisen. (Quelle: [4])

Unbekannte Quellen einer verbotenen Substanz

Trotz dieser zweifellos bemerkenswerten Erfolgsgeschichte macht der Report auch auf eine Reihe von Problemen aufmerksam. Ich erw?hne hier zwei. Zum Beispiel l?sst sich zeigen, dass zwar die allermeisten atmosph?rischen Konzentrationen der chlor- und bromhaltigen Substanzen so abfallen, wie aufgrund der Emissionsangaben der einzelnen Nationen erwartet wird. Aber es gibt Ausnahmen. So im Fall von Tetrachlorkohlenstoff (CCl4), einem stark ozonzerst?renden und klimaerw?rmenden Gas. Früher wurde CCl4 in Feuerl?schern und zur Produktion anderer FCKW verwendet. Nach den Vorgaben des Montrealer Protokolls sollte CCl4 seit Beginn der 1990er Jahre eigentlich keine Emissionsquellen mehr haben. Andererseits zeigen genaue Konzentrationsmessungen, bei denen auch die Messstation der Empa auf dem Jungraujoch beteiligt ist, dass CCl4 in der Atmosph?re viel langsamer abnimmt [2]. Offenbar muss es noch unbekannte Quellen geben. Beispielsweise k?nnten schleichende Emissionen aus undichten Anlagen, die CCl4 legal zur Herstellung anderer Produkte einsetzen, zu dem beobachteten Ph?nomen beitragen. In juristischer Hinsicht stellt das einen Vertragsverstoss gegen das Montrealer Protokoll dar. Die Quellen für diese Emissionen zu identifizieren, ist eine wesentliche zukünftige Aufgabe, die wohl einiger Detektivarbeit bedarf.

FCKW-Ersatzstoffe gef?hrden das Klima

Eine weitere, zentrale Aussage des Berichts ist, dass eine Gruppe von Ersatzstoffen für ozonzerst?rende Substanzen den Nutzen des Montrealer Protokolls für das Klima aufs Spiel setzen k?nnte. Hier geht es um Fluor-Kohlenwasserstoffe (FKW), deren Emissionen gem?ss Prognosen zunehmen werden (siehe Graphik). FKW enthalten weder Chlor noch Brom, sind also nicht ozonzerst?rend. Viele FKW sind aber massive Treibhausgase. Im Mittel ist ein FKW-Molekül über tausendmal klimawirksamer als ein Kohlendioxid-Molekül. Wie die Graphik zeigt, k?nnte bei hohem FKW-Verbrauch die Klimawirkung (Heizleistung) aller FCKW und Ersatzstoffe im Jahr 2050 bis auf das Doppelte des jetzigen Wertes ansteigen. Zum Vergleich: Die FCKW und Ersatzstoffe würden dann rund 20 Prozent der prognostizierten Klimawirkung von CO2 ausmachen. Ein hoher FKW-Verbrauch wird also den positiven Nebeneffekt des Montrealer Protokolls auf das Klima gef?hrden.

Vergr?sserte Ansicht: Grafik zur Klimawirkung von FCKW und Ersatzstoffen
Heizleistung von fluor- und chlorhaltigen Kohlenwasserstoffen (FCKW) bis 2050. Blaue Kurve: nur FCKW und chlorhaltige Ersatzstoffe (H-FCKW). Orange und Rot: Heizleistung inklusive der chlorfreien Fluorkohlenwasserstoffe (FKW). (Quelle: [3])

Weil FKW Ozon nicht abbauen, fallen sie eigentlich nicht in den Verantwortungsbereich des Montrealer Abkommens, wohl aber in jenen des Kyoto-Protokolls. Andererseits verdanken die FKW ihre Existenz als Ersatzstoffe für FCKW letztlich dem Montrealer Protokoll. Sollten also die Parteien des Montrealer Protokolls auch diese Ersatzstoffe regulieren, obgleich sie unsch?dlich für Ozon sind? Mit der Aussage, dass ?der Nutzen des Montrealer Protokolls für das Klima durch die Emission von FKW signifikant gef?hrdet werden k?nnte?, macht der Bericht eine für die Umweltpolitik relevante Feststellung, ohne eine bestimmte L?sung vorzuschreiben. Den weiteren Weg bestimmen die politischen Entscheidungstr?ger. Es wird spannend sein, zu verfolgen, welche Richtung sie einschlagen.

N?chster Beitrag am UN-Tag der Ozonschicht

Am 16. September 2014 ist der Internationale externe SeiteTag zum Schutz der Ozonschicht der vereinten Nationen.

Prof. Johannes St?helin befasst sich dann in seinem Beitrag ebenfalls mit Ozon – allerdings nicht mit der lebenswichtigen Ozonschicht in der Stratosph?re, sondern mit dem bodennahen Luftschadstoff Ozon. Das lungensch?digende Reizgas kann den berüchtigten Sommersmog verursachen. In der Umgebung schnell wachsender Megacities der Schwellenl?nder k?nnten die Ozon-Spitzenwerte besorgniserregend ansteigen.

Weiterführende Informationen

Thomas Peter war als Abschlussgutachter (Review Panel Member for the Assessment for Decision Makers) am WMO/UNEP-Bericht über den Zustand der Ozonschicht beteiligt.

[1] Konferenze auf externe SeiteUN Web TV 

Den WMO/UNEP-Bericht finden Sie auf der Webseite der externe SeiteWMO oder der externe SeiteUNEP

Mehr Infos zu externe SeiteOzon

[2] Liang, Q., P. A. Newman, J. S. Daniel, S. Reimann, B. D. Hall, G. Dutton, and L. J. M. Kuijpers (2014), Constraining the carbon tetrachloride (CCl4) budget using its global trend and inter-hemispheric gradient, Geophys. Res. Lett., 41, 5307–5315, doi:10.1002/2014GL060754.

[3] Velders, G.J.M., A. R. Ravishankara, M.K. Miller, M.J. Molina, J. Alcamo, J.S. Daniel, D.W. Fahey, S.A. Montzka, S. Reimann (2012), Preserving Montreal Protocol Climate Benefits by Limiting HFCs, Science, 335, 922-923, DOI: 10.1126/science.1216414

[4] externe SeiteOzone watch (Nasa)

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